DSB reicht Stellungnahme beim BMAS ein

Stellungnahme zum „Referentenentwurf für die Reform des Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)

Der Deutsche Schwerhörigenbund e.V. (DSB) vertritt ca.16 Millionen Hörgeschädigte in Deutschland und engagiert sich aktiv für die Interessen der schwerhörigen und ertaubten Menschen auf örtlicher, Landes- und Bundesebene. Sehr gerne möchte der DSB, als Verband der Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen die Gelegenheit wahrnehmen, zum oben genannten Referentenentwurf Stellung zu beziehen und die Interessen von hörgeschädigten Menschen einbringen.

Menschen mit Behinderungen haben das Recht gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Dies ist in Deutschland verfassungsrechtlich im Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderungen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) und durch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verankert, die Deutschland 2009 ratifiziert hat und somit zur Umsetzung dessen verpflichtet ist. Zur Umsetzung der UN-BRK spielt das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) eine zentrale Rolle, aufgrund der darin grundlegenden festgehaltenen Rahmenbestimmungen für eine inklusive, diskriminierungsfreie und partizipative Gesellschaft. Es verpflichtet zur Sicherstellung eines gleichberechtigten Zugangs sowie zum Schutz und gegen Benachteiligung von für Menschen mit Behinderungen. Die UN-BRK verpflichtet Deutschland daher zur vollumfänglichen Ausgestaltung geeigneter barrierefreier Maßnahmen, insbesondere zum Abbau von Barrieren zur Teilhabe in allen Lebensbereichen von Menschen mit Behinderungen (Art. 19 UN-BRK, Art. 3 Buchstabe f) (Art. 9 Abs. 1 UN-BRK).

Nur durch eine konsequente Reformierung der Barrierefreiheit können Diskriminierung und Ausgrenzung vermieden werden und dürfen nicht durch zulässige Rechtfertigungsgründe aufgewogen werden: Die geplanten Bestimmungen sehen allerdings vor, dass private Akteure in Deutschland nicht mehr gänzlich zur Umsetzung angemessener Vorkehrungen verpflichtet werden sollen, wodurch die gleichberechtigte Teilhabe vom Menschen mit Beeinträchtigungen erheblich eingeschränkt bzw. ausgegrenzt und dadurch diskriminiert werden. Die Reform ist somit ein Rückschritt für die Belange der Menschen mit Behinderungen. Dies steht im Widerspruch zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), zum Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes, zur UN-BRK sowie zum European Accessibility Act, wodurch die Ziele der Herstellung von Barrierefreiheit und angemessenen Vorkehrungen im öffentlichen und privaten Sektor nicht mehr umgesetzt werden können und dadurch wirkungslos werden.

Die Definition (§3) des behinderten leistungsberechtigten Personenkreises wurde verändert, wodurch ggf. hörbehinderte Menschen leichter aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten herausfallen könnten und somit eine Schlechterstellung zur Folge hätte. In Artikel §3 heißt es nun, dass Menschen mit Behinderungen Menschen sind, welche durch ihre Behinderungen an einer „…vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehindert werden können. Diese Verschärfung ist durchaus als gut anzusehen, steht allerdings im Widerspruch zu anderen überarbeiteten Paragraphen, in welchen diese Teilhabe teilweise ausgehebelt wird, wie in §7 zu Barrierefreiheit im privaten Bereich: Hier heißt es zum einen, dass Unternehmer ohne Benachteiligungen bewegliche Güter und Dienstleistungen anbieten müssen (§7.2.) – dies ist begrüßenswert, wird aber revidiert durch §7.3 Satz 2 in welchem dafür keine baulichen Veränderungen erforderlich sind.

Zudem soll bei Nichteinhaltung kein Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden können, sofern ein „sachlicher Grund“ (§7a, Absatz 2) vorliegt und muss erst „ausschließlich“ festgestellt werden. Solch eine Feststellung obliegt aber gerade Menschen mit Behinderungen einem enormen Zeit-, Nerven und insbesondere erheblichem Kostenaufwand. Nach § 7a, Absatz 3) können sich zudem Unternehmen zur Nichteinhaltung auf eine „statistische Risikobeurteilung“ beziehen. Somit birgt die Reform des BGG für hörbeeinträchtigte Menschen die Gefahr, dass zentrale Kommunikationsbedürfnisse weiterhin nicht ausreichend gesetzlich abgesichert werden und bestehende Leistungen sogar eingeschränkt werden könnten (§7c). Gerade in Hinblick auf barrierefreies Bauen (§8, Absatz 2) werden durch eine weit gefasste Frist zur Feststellung und zum Abbau von Barrieren, Menschen mit Behinderungen aus wirtschaftlichen Gründen insbesondere im ländlichen Raum (§8, Absatz 7) benachteiligt.

Die Umsetzung der staatlichen Verpflichtung zu barrierefreier Kommunikation bleibt überwiegend auf öffentliche Stellen beschränkt. Es erfolgt laut Referentenentwurf keine Ausweitung des privatwirtschaftlichen Bereichs, wodurch einschränkende Lücken entstehen, da diese nicht zu barrierefreien Kommunikationslösungen verpflichtet werden, obwohl dies für Alltags- und Berufsteilnahme von Hörgeschädigten entscheidend wäre. Besonders der mangelnde rechtliche Zugang zu Dolmetscher Diensten und Assistenz im Alltag und Beruf sowie die unsichere Definition der Anspruchsberechtigten werden als Rückschritt bewertet.

Der Referentenentwurf bedeutet, dass lautsprachlich orientierte hörbeeinträchtigte Menschen weiterhin in ihrer gesellschaftlichen, beruflichen und gesundheitlichen Teilhabe eingeschränkt werden. Das BGG sollte, wie in der UN-BRK beschrieben, gewährleisten dass Menschen mit Behinderungen, insbesondere solche mit Hörbeeinträchtigungen, gleichberechtigt dieselben Rechte wie alle anderen Menschen auch, wahrnehmen können und keine Ausgrenzung fördern. Demzufolge sollten fachkundige behinderte Menschen auch in der Überwachungsstelle für barrierefreie Informationstechnik mit einbezogen werden (§12c, Abasatz2).
Das einzurichtende Kompetenzzentrum für Gebärdensprache und leichte Sprache würde qualitativ aufgewertet werden, wenn auch weitere Kommunikationsformen/Sprachen (z.B. für die lautsprachlich orientierten Hörbeeinträchtigten) mit einbezogen würden.

Für eine starke Demokratie als auch in Hinblick des demografischen Wandels ist es wichtig, dass alle Menschen gleichermaßen behandelt werden, wozu die Inklusion von Menschen mit Behinderungen unabdingbar ist. Hierfür ist die unabhängige, weisungsgebundene und ressortübergreifende Arbeit des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen (§17) sehr gut und zur Unterstützung der Einhaltung des Benachteiligungsverbotes (§18, Abatz3) unabdingbar.

Die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) wird vom Deutschen Schwerhörigenbund e.V (DSB) und dadurch der hörbeeinträchtigten Menschen als kritisch bewertet und in zentralen Punkten als unzureichend oder sogar nachteilig eingeschätzt und sieht erheblichen Nachbesserungsbedarf sowie einen Rückschritt hinsichtlich der Teilhabe an Menschen mit Behinderungen, insbesondere von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen. Dahingehend ist es von großer Bedeutung, für alle Menschen mit Behinderungen, eine gänzliche Barrierefreiheit zu erschaffen, welche auch private Akteure zur Verpflichtung von inklusiven Barrierefreiheits-bestimmungen einbeziehen und diese auch bei Verstößen sanktionieren.

Mit freundlichen Grüßen
Kriemhild Egermann-Schuler
Gesundheits- und sozialpolitische Referentin
Deutscher Schwerhörigenbund e.V.

Kontakt

Kriemhild Egermann-Schuler
Referentin Gesundheits- und Sozialpolitik
Sophie-Charlotten-Str. 23a
14059 Berlin
Tel.: 030 49 98 81 86
E-Mail: kriemhild.egermann@schwerhoerigen-netz.de

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